Sonntag, 2. Januar 2011

01 Start mit Hindernissen

1. Januar 2011, ca. 22:10 Uhr. Noch fünfeinhalb Stunden. Dann wird die B767 der Condor ihr Ziel erreicht haben. Fünfeinhalb Stunden bedeutet auch, dass die Hälfte der Strecke geschafft ist. Meine Beine sehnen sich nach Bewegung, der Weißwein an Bord ist warm und kostet vier Euro pro Fläschchen. Bleibe ich eben  nüchtern.

Es hatte alles so schön angefangen: Am Abend vorher, an Silvester, waren wir wieder auf der obligatorischen Fete unserer Freunde in Dillingen. Eine Menge netter Leute waren da und wir hatten uns schon darauf eingestellt, den Weg runter nach Friedrichsdorf zu Fuß zu wandern – genau wie im letzten Jahr, als uns das vorbestellte Taxi versetzt hatte. Diesmal haben wir so gegen halb zwei ein Taxi angerufen, das auch pünktlich um zwei vor der Tür stand.

Nach ausgiebigem Schlaf sind wir um halb eins am Neujahrsmorgen von unserer Freundin Kai zum Flughafen gefahren worden. Dagmar, meine Süße, hatte die Bordkarte bereits am Vortag ausgedruckt, so dass wir nur an einen Condor-Schalter gehen mussten, um unser Gepäck abzugeben. Theoretisch jedenfalls. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...

Vor uns war ein junger Mann dran, der offenbar größere Probleme mit seinem Ticket hatte, denn es ging und ging nicht voran. Er erzählte uns, dass seine Maschine überbucht sei und er zwangsweise in die Holzklasse umgebucht würde. Das hat ihm so gar nicht gepasst. Die gelangweilte Dame am Counter verließ zweimal ihren Platz, um die Geschichte mit ihren Chefs zu besprechen. Dabei lief sie so provozierend langsam, dass man schon vom Zusehen wütend werden konnte. Nach einer halben Stunde war das Problem erledigt und wir kamen endlich dran. Ich wuchtete die beiden Koffer auf das Gepäckband und Dagmar schob ihr die Boardingkarten nebst Pässen zu. Was dann kam, werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Die Dame am Schalter teilte Dagmar nach kurzer Überprüfung Ihres Passes mit sadistischem Genuss mit, dass ihr Reisepass keine sechs Monate mehr Gültigkeit besäße. Geradezu begeistert belehrte sie uns, dass die Reisenden selbst dafür verantwortlich seien, die richtigen Dokumente mitzuführen. Ich hatte keine Lust auf ihre ständigen Belehrungen und wollte wissen, wo man den Pass am Flughafen verlängern lassen könne. Schließlich kann sowas ja jedem Mal passieren. Ich hatte nirgendwo gelesen, dass ein Reisepass sechs Monate länger gültig sein muss als der Aufenthalt selbst. Ich verstehe auch bis jetzt den Sinn dieser Maßnahme nicht. Dagmar hatte ihren Pass vorher überprüft und war der Ansicht, dass er bis 2017 gültig sei. Mit Brille wär´ das nicht passiert...

Na ja, das Condor-Mädel wiederholte ständig nur, dass das unsere eigene Schuld wäre und Dagmar daher nicht mitreisen dürfe. Nach unseren wiederholten Fragen, wo denn nun der Pass verlängert werden könnte, rückte sie mit irgendeiner Information heraus, die sich später als falsch heraus stellte. Ich nahm die Koffer wieder zurück auf unseren Gepäckwagen und lief mit Daggi zur zentralen Polizeistelle. Dort wurde Dagmar weiter zum Schalter A51 geschickt. Ein dort tätiger Grenzbeamter hatte angeblich keine Befugnis, das Dokument zu verlängern und die dafür zuständige Stelle war am Neujahrstag natürlich geschlossen.

Also sind wir wieder zur Gepäckaufgabe gelaufen – diesmal an einen „normalen“ Stand. Meine Lieblingsmitarbeiterin hat uns wohl vorbeilaufen sehen und während des Eincheckens ihre Kollegin angerufen. Ganz plötzlich fiel der dann nämlich auch auf, dass der Pass nur bis Ende März gültig ist und Daggi daher nach den Einreisebestimmungen nicht mitfliegen dürfe. Auf meine Bitte, doch einfach mal beide Augen zuzudrücken, durfte sie nicht eingehen. Außerdem bestünde die Gefahr, dass Dagmar am Zielort einfach in den nächsten Flieger gesetzt würde, um nach Hause zurück geschickt zu werden. Und Condor müsste eine sehr hohe Strafe bezahlen.

Daraufhin haben wir es aufgegeben. Dagmar wird am Montag morgen in Friedrichsdorf eine vorübergehende Passverlängerung erhalten und dann nachkommen. Einen Flug hat sie schon gekauft. Umbuchen ging nämlich nicht mehr.

Und so kommt es, dass ich seit inzwischen sechs Stunden alleine im Flieger sitze. Der Platz neben mir bleibt leer, so dass ich mich bei aufkommendem Schlafbedürfnis einigermaßen bequem rumflezen kann. So, jetzt wollt Ihr wahrscheinlich noch wissen, wo wir eigentlich hinfliegen:

Es geht nach MAURITIUS. Das liegt östlich von Südafrika, grob geschätzt. Jetzt im Januar sind es dort zwischen 28 und 30 Grad. Man spricht dort hauptsächlich Französisch, soll aber auch Englisch gut verstehen können. Nun, das werden wir ja sehen.

In Deutschland ist es noch nicht einmal 22.00 Uhr. Das wird noch eine Weile dauern, bis sich bei mir bleierne Müdigkeit breit machen wird. Ich schreibe auf meinem neuen MacBook Air, der mir eine Batterielaufzeit von mehr als sieben Stunden anzeigt.

Mein iPad habe ich schon fast leergesaugt. „Wallanders erster Fall“ habe ich komplett durchgelesen, außerdem den Spiegel von letzter Woche fertig durchgeblättert. Was man halt so macht, wenn man allein ist und nichts zu tun hat.

Sehr überrascht bin ich über einige der Mitreisenden. Nicht nur, dass ein offensichtlich lesbisches Pärchen ständig in der Reihe vor mir rumknutscht und das einzige Baby im Flieger seine Stimmübungen selbstredend in meiner Reihe absolviert – nein, ich treffe auch gleich noch zwei Bekannte. Einen Bub aus meiner Volksschulklasse, an dessen Namen ich mich allerdings nur noch rudimentär erinnere und Wolfgang Herold, den Inhaber der Frankfurter Herold-Studios, der mit Frau und Kind im Flieger sitzt und im Club Med residieren wird. Wo sonst.

So, dann werde ich jetzt mal abbrechen. Wenn ich mich im Hotel eingerichtet habe, erzähle ich weiter.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen